IANUS steht für natur- und ingenieurwissenschaftliche Friedensforschung im Austausch mit den Sozial- und Geisteswissenschaften und versteht sich als multi- und transdisziplinäres Netzwerk von Forschern an der TU Darmstadt. IANUS ist ein wichtiger Vorläufer des Lehrstuhls Wissenschaft und Technik für Frieden und Sicherheit (PEASEC) an der TU Darmstadt.
Vorläufer (ab 1979) und Gründung von IANUS (1988)
IANUS geht auf eine Initiative von Studentinnen, Studenten, Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an der Technischen Hochschule Darmstadt (THD) zurück, heute TU Darmstadt. Der NATO-Doppelbeschluss 1979 alarmierte die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und veranlasste sie, die wissenschaftliche Verantwortbarkeit von Technologien dringlicher zu hinterfragen. In Darmstadt bildete sich die „THD-Initiative für Abrüstung“, die sich zum Ziel setzte, „die Verflechtung von Wissenschaft/Technik und Rüstung aufzuzeigen und das Verantwortungsbewusstsein hierüber bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Studentinnen und Studenten zu vergrößern,
die globalen Bedrohungen des Friedens zu verdeutlichen sowie der Aufstellung der Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper in Europa entgegenzuwirken und sich öffentlich für weitergehende Abrüstung einzusetzen“ (THD-Initiative für Abrüstung).
Durch diese Initiative etablierte sich bereits ab dem Wintersemester 1983/84 ein breites Lehrprogramm, das die Themenbereiche Rüstung, Abrüstung, Krieg und Frieden in technisch-naturwissenschaftlichen, humanwissenschaftlichen, sowie politik-
und wirtschafts-wissenschaftlichen Perspektiven betrachtete und zu einem regelmäßigen Austausch von Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern, Studentinnen und Studenten beitrug. Dieses Engagement verstetigte sich durch regelmäßige interdisziplinäre Veranstaltungen und führte 1987 zu einem interdisziplinären Antrag bei der VW-Stiftung unter der Federführung von Professor Egbert Kankeleit (Physik), mit Unterstützung der Professuren von Kathryn Nixdorff (Biologie), Dirk Ipsen (Volkswirtschaftslehre) und Werner Krabs (Mathematik) und die Gründung von IANUS im Jahr 1988. Die Finanzierung durch die VW-Stiftung ermöglichte es IANUS, ab 1988 eine Reihe von Doktorandenstipendien zu vergeben. Diese Förderung lief 1993 aus und wurde durch die TU Darmstadt sowie durch jährliche Sachmittel aus dem Hessischen Landtag ersetzt. 1993 erhielt IANUS den Status einer zentralen Einrichtung der Universität.
Göttinger Friedenspreis 2000
Im Jahr 2000 wurde die Arbeit von IANUS mit dem Göttinger Friedenspreis für herausragende interdisziplinäre Arbeit ausgezeichnet: „Die Zielsetzung von IANUS, kooperative Lösungen für technikbedingte Konflikte im Kontext von Sicherheit und Nachhaltigkeit zu suchen, hat zu einer in Forschung und Lehre innovativen Projektarbeit und – mit Blick auf Politik und Öffentlichkeit – zu beachtlichen Initiativen geführt.“ (Begründung der Jury)
Aber die Jury des Friedenspreises betonte auch, dass nicht nur der vielseitige Ansatz hervorzuheben sei, sondern dass auch die
„Wirksamkeit der IANUS-Arbeit […] ihren Ort in vielfältigen in- und ausländischen Kooperationen gefunden [hat], in der fachlichen Beratung nationaler und internationaler politischer und parlamentarischer Gremien der Rüstungskontrolle und Technikfolgenabschätzung, als kritische Medienressource sowie bei der Entwicklung politischer Initiativen, beispielsweise zum Abbau und zur Begrenzung von Nuklearwaffen, zur Verifikation der Biowaffenkonvention, bei der Abrüstung und Konversion von Raketentechnologien und Weltraumwaffen.“ (Begründung der Jury)
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10 Jahre IANUS (1998)
Zur Zeit des 10 jährigen Jubiläums liefen im Rahmen von IANUS zahlreiche Forschungsprojekte sowie Qualifikationsarbeiten zu drängenden Problembereiche, die von Naturwissenschaft und Technik beeinflußt werden, und in gesellschaftlichen Risiko- und Konfliktsituationen wesentlich im Hinblick auf Sicherheitsfragen sind. Ganz im Sinne der gemeinsamen Zielrichtung „Kooperative Lösungen technikbedingter Konflikte im Kontext von Sicherheit und Nachhaltigkeit“.
Damit wird der inhaltlichen Entwicklung von IANUS Rechnung getragen. Während sich die IANUS-Arbeit in der Gründungsphase fast ausschließlich auf naturwissenschaftlich begründete Beiträge zu friedens- und sicherheitspolitisch bedeutsamen Themenstellungen konzentrierte, werden heute Einflussfaktoren aus Naturwissenschaft und Technik, die allgemeiner definierte Konfliktkonstellationen in den Bereichen von Sicherheitsrisiken, internationaler Sicherheit und Nachhaltigkeit mitbestimmen, anhand von Einzelfragestellungen untersucht.
Parallel zu den Forschungsarbeiten in den Einzelprojekten arbeitet die gesamte Forschungsgruppe an gemeinsamen übergeordneten Themen. Zu diesen Themen gehören interdisziplinäre Begriffsklärungen, die Frage nach den bestimmenden Faktoren der Rüstungsdynamik, die Problematik der zivil-militärischen Ambivalenz von Wissenschaft und Technik oder die Suche nach verantwortungsvoller Energieversorgung für die Zukunft.
Unter dem Prinzip des forschenden Lernens wird IANUS auch im Bereich der fachübergreifenden Lehre tätig. Weiter ist die Arbeit von IANUS in vielfältige Kooperationen mit in- und ausländischen wissenschaftlichen Institutionen eingebunden.
20 Jahre IANUS (2008)
IANUS etablierte sich als zentrale Einrichtung der TU Darmstadt und vernetzte sich auf diese Art interdisziplinär und international mit zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Expertinnen und Experten sowie Gremien. Dabei warb IANUS ein Vielfaches an Drittmitteln für Promotionen ein, unter anderem durch die DSF, die Berghof Stiftung, durch das BMBF, das BMU, das TAB, und den Schweizerischen Wissenschaftsrat. Anlässlich des 20 jährigen Jubiläums veranstaltete IANUS ein Festprogramm, zu dem nicht nur die Sprecher Franz Fujara und Wolgang Liebert sprachen, sondern auch der Präsident der TU Darmstadt, Hans Jürgen Prömel, und als Ehrengast der ehemalige Leiter des UN Institute for Disarmament Research UNIDIR und ehemalige stellvertretende Generalsekretär der Vereinten Nationen, Jayantha Dhanapala.
2013 verließ der langjährige Mitarbeiter und Sprecher Wolfgang Liebert IANUS und folgte einem Ruf an die Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien. Neben dem personellen Wandel erfolgte auch ein programmatischer Wandel, der die veränderten und sich verändernden Herausforderungen zwischen Technik, Wissenschaft und Gesellschaft in den Blick nimmt.
30 Jahre IANUS (2018)
Nach drei Jahrzehnten sehr erfolgreicher Arbeit, geführt von Egbert Kankeleit (1988–), Kathryn Nixdorff, Werner Krabs (1995–1999), Dirk Ipsen (–2002), Wolfgang Liebert (1999–2012), Franz Fujara (2002–2015), Martin Ziegler (2012–2015) und Alfred Nordmann (2015–2017) wurde IANUS von einer autonomen Zentralinstitution zu einem Netzwerk von Forschungsgruppen und kleineren Projektmitteln innerhalb der TU Darmstadt (Nordmann et al., 2018) umgewandelt, koordiniert von Alfred Nordmann und Christian Reuter (seit 10/2017). Gleichzeitig wurde an der TU Darmstadt ein neuer Lehrstuhl (PEASEC) eingerichtet.
Die Feierlichkeiten zum 30 jährigen Bestehen von IANUS machten den Auftakt der Konferenz SCIENCE PEACE SECURITY ’19 der TU Darmstadt. Alfred Nordmann und René von Schomberg würdigten aus der Innen- und Außenperspektive die von IANUS entwickelten methodischen Ansätze, die auf 1988 und die Gründung von IANUS als Einrichtung zur naturwissenschaftlichen und technischen Friedensforschung an der TU Darmstadt zurückgehen. Ziel war und ist es, aus dem fachlichen Hintergrund von Physik, Chemie, Biologie oder auch der Geistes-, Sozial- und Technikwissenschaften heraus gemeinsam Friedensforschung zu betreiben und für Studierende und Mitarbeiter der TU Darmstadt ein Beispiel für wertorientierte Forschung zu geben. Im Jahr 2018 wurde IANUS ein Teil des Forums interdisziplinäre Forschung (FiF). Von Anfang an ein Vorreiter von Responsible Research and Innovation (RRI), geht es nun darum, ob IANUS auch ein Vorbild für offene Bürgerwissenschaften werden kann.
Beim Festakt anwesend waren langjährige Weggefährten von IANUS. Ein Festvortrag zur Ambivalenz von Wissenschaft und Technik (Prof. Jürgen Scheffran, Universität Hamburg) leitete in den Abend ein und schuf den Übergang zur SPS-Konferenz. Der Vortrag beschäftigte sich vorwiegend mit der Frage, wieso die Naturwissenschaft häufig als Problemlöser wahrgenommen wird, und erklärte am Beispiel der Atomenergie, wie sie auch neue Probleme schafft.