Die Konferenz Science · Peace · Security ’23 fand vom 20. bis 22. September 2023 im Georg-Christoph-Lichtenberg-Haus der Technischen Universität Darmstadt statt. Sie widmete sich dem Wandel von Technologien, deren Rolle in Kriegen und Konflikten sowie Fragen der Rüstungskontrolle. Ausgerichtet wurde die englischsprachige Konferenz von TraCe, einem hessischen BMBF-Forschungsverbund zu Transformationen politischer Gewalt, vom DFG-Sonderforschungsbereich CROSSING und vom Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit FONAS.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine macht die Bedeutung der Friedens- und Konfliktforschung und deren technische Dimension offensichtlich. Bereits 2019 hat der Wissenschaftsrat als wichtigstes wissenschaftspolitisches Beratungsgremium in Deutschland seine Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Friedens- und Konfliktforschung veröffentlicht. Darin weist er auf einen dringenden Handlungsbedarf zur Stärkung der naturwissenschaftlich-technischen Friedens- und Konfliktforschung hin. Die Konferenzreihe Science · Peace · Security möchte einen kleinen Beitrag dazu leisten. Sie wurde 2019 in Darmstadt gegründet, fand 2021 an der RWTH Aachen statt, und soll 2025 am Forschungszentrum Jülich ausgetragen werden.
Zur dreitägigen wissenschaftlichen Konferenz wurden über 110 Teilnehmer:innen aus Deutschland und Referent:innen aus dem Vereinigten Königreich, Schweden, den USA, Kolumbien, Indien, Italien, der Schweiz, Norwegen, der Tschechischen Republik, dem Irak, Österreich und den Niederlanden begrüßt. Insgesamt waren über 50 verschiedene Organisationen vertreten, sodass ein interdisziplinärer Austausch gewährleistet war. Das Spektrum des Programms war breit gefächert und spiegelte gesamtgesellschaftliche Diskurse im Lichte einer sich verändernden globalen Sicherheitslandschaft wider. Insgesamt wurden in 40 Vorträgen, Workshops, Diskussionsrunden und Panels aktuelle und zukünftige Herausforderungen im Bereich der technischen Friedens- und Konfliktforschung diskutiert. Von besonderer Relevanz waren folgende Themen:
- Künstliche Intelligenz
- unbemannte Waffensysteme
- Raketen- und Raumfahrttechnologien
- (nukleare) Rüstungskontrolle
- Regulierung biologischer und chemischer Waffen
- Informationstechnologien zur Überwachung und Unterdrückung von Zivilist:innen
- (zivile) kritische Infrastrukturen
- digital peacebuilding
- Mensch-Maschine-Interaktion
- Dual-Use
- Cyber-Angriffe sowie entsprechende Technologie- und Sicherheitspolitik.
Am ersten Tag der Konferenz (Mittwoch, 20. September 2023) wurde das Jahrestreffen vom Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit (FONAS), geleitet durch den Vorsitzenden PD Dr. Jürgen Altmann (TU Dortmund) veranstaltet. Anschließend fand eine Welcome Reception statt, auf welcher Prof. Dr. Dr. Christian Reuter (PEASEC, TU Darmstadt) die Teilnehmer:innen begrüßte, den Pilotcharakter des Tagungsformats hervorhob. Dr. Thea Riebe (PEASEC, TU Darmstadt) führte in das Programm und die anschließende Abend-Keynote von Dr. Oliver Meier (European Leadership Network) ein, welche sich mit den Möglichkeiten für Forscher:innen der Friedens- und Konfliktforschung beschäftigte, selbst aktiv zu werden und politische Prozesse für Rüstungskontrolle und Abrüstung zu unterstützen.
An den Konferenztagen – 21. und 22. September 2023 – standen Vorträge, Diskussionen und Workshops auf dem Programm. Nach offizieller Eröffnung der Konferenz von Christian Reuter (auch für CROSSING und TraCe), Grußworten der TU Darmstadt, durch den Vizepräsidenten Prof. Dr.-Ing. Matthias Oechsner und von FONAS, durch den Vorsitzenden PD Dr. Jürgen Altmann (TU Dortmund) folgte die Keynote-Rede von Prof. Dr. Alice Mattoni (Universität Bologna) über die Versprechen und Gefahren digitaler Technologien bei der weltweiten Bekämpfung von Korruption.
Im Folgenden thematisierten Redner:innen innerhalb von Vorträgen und Pitches den Stand der Rüstungskontrolle im Bereich nuklearer Waffen (u. a. Forschungszentrum Jülich GmbH, VERTIC, Open Nuclear Network, RWTH Aachen). Anschließend beschäftigten sich mehrere Vorträge mit geopolitischen Themen rund um (kritische) Infrastrukturen (Dr. Matteo Gerlini und Dr. Fabio Indeo, Universität Siena). Mit Blick auf die Thematik von Autonomie in Waffensystemen und Mensch-Maschine-Interaktionen zeigten mehrere Referent:innen aktuelle Entwicklungen und Paradigmenwechsel in diesem Bereich auf (Dr. Christoph Ernst und Prof. Dr. Thomas Christian Bächle, Universität Bonn, HIIG). Weitere Referent:innen gingen auf die Gefahren der Bewaffnung ziviler Infrastrukturen ein (Dr. Regine Schwab, Universität Frankfurt, PRIF) und präsentierten kritische Perspektiven auf Themen im Kontext von Protest und Technologien (Miyerlandy Cabanzo, UTCH). Vor dem Hintergrund von Technikfolgenabschätzung und Dual-Use gingen mehrere Wissenschaftler:innen (TU Darmstadt, IFSH, VERTIC, CNS) auf ethische Abwägungen in Technikentwicklungsprozessen ein, diskutierten Computermodellierungen im Kontext von Raketenabwehr und erörterten die Auswirkungen von Quantentechnologien auf Mechanismen der Rüstungskontrolle.
Darüber hinaus fanden vielfältige Vorträge zu den Themen Cyber-Operationen und Cyber-Sicherheit statt. Christina Rupp (Stiftung Neue Verantwortung) ging hierbei vor allem auf die normative Macht staatlicher Handlungen ein, während Referent:innen der Royal Holloway University of London und des IFSH die Bedeutung des Cyberspace innerhalb der europäischen Cybersicherheitsstrategie verdeutlichten. Im Kontext von biologischen, chemischen und konventionellen Waffen erläuterten Dr. Zenobia Homan und Saman Omar (King’s College London sowie University of Duhok) Problematiken hinsichtlich des Zugangs zu Informationen über Angriffe mit chemischen Waffen. Kolja Brockmann (SIPRI) sprach über die Nichtverbreitung von Trägerraketentechnologie. Schließlich wurden auch sicherheitspolitische und militärstrategische Aspekte thematisiert, u. a. vor dem Hintergrund des sogenannten Tech War zwischen den USA und China (Guangyu Qiao-Franco, Radboud University; PD Dr. Daniel Lambach, Jakob Landwehr-Matlé und Kai Oppermann, Universität Frankfurt, TU Chemnitz).
Prof. Dr. Markus Lederer und Laura Guntrum (TU Darmstadt) moderierten ein Dialog-Panel zur Rolle von Informations- und Kommunikationstechnologien in Friedensprozessen. Fabian Hoffmann (Geneva Graduate Institute), Charles Martin-Shields (IDOS), Kerem Tugberg Capraz (Berghof Foundation) und Laura Guntrum (PEASEC, TU Darmstadt) gingen hierbei auf Vor- und Nachteile von digital peacebuilding ein und veranschaulichten diese mit praxisnahen Beispielen.
Innerhalb einer weiteren von PD Dr. Jürgen Altmann initiierten Panel-Diskussion leitete Anna-Katharina Ferl (PRIF) durch die Thematik neuer Militärtechnologien und die damit einhergehenden fundamentalen Herausforderungen für das internationale System. Darüber hinaus organisierte das VeSPoTec-Konsortium einen interaktiven Workshop zur Zukunft nuklearer Verifikation vor dem Hintergrund einer immer komplexer werdenden Welt.
Wichtiger Teil des Tagungsprogramms waren ferner 13 Poster-Präsentationen, die mehrheitlich von Nachwuchswissenschaftler:innen zur Diskussion gestellt wurden. Sie deckten ein breites thematisches Spektrum von digitaler Mediennutzung während sozialen Bewegungen, politischer Gewalt, kritischen Infrastrukturen, Information Warfare, Hate Speech, sicherer Nachrichtenübermittlung bis hin zur Abrüstung und Rüstungskontrolle ab.
Überdies erfolgte die Verleihung des IANUS-Preises 2023.
Wir danken allen Teilnehmenden für die bereichernden Beiträge und empfinden es als sehr wichtig, interdisziplinäre Diskussionen im Bereich technische Friedens- und Konfliktforschung weiter voranzutreiben.
Organisation
Ansprechpartner:innen:
- Prof. Dr. Dr. Christian Reuter (General Chair)
- Dr. Thea Riebe & Laura Guntrum (Program Chairs)
- Prof. Dr. Markus Lederer & Verena Lasso Mena (Financial Chairs)
- Jona Schwerer (Anmeldung), Sara Luise Spittler (Mathildenhöhe), Tina Cramer (PR und Dialogpanel)
Bereits seit 2019 richtet der Lehrstuhl Wissenschaft und Technik für Frieden und Sicherheit (PEASEC) von Prof. Dr. Dr. Christian Reuter an der TU Darmstadt die interdisziplinäre Konferenz Science · Peace · Security ’23 gemeinsam mit dem Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit (FONAS) aus. 2019 fand sie in Darmstadt, 2021 in Aachen statt. Durch PEASECs Mitgliedschaft im 2022 gegründeten BMBF-geförderten regionalen Forschungszentrum Transformations of Political Violence (TraCe) sowie im Sonderforschungsbereich CROSSING greift die SPS’23 übergreifende Leitfragen und Themen dieser Forschungsgruppen auf.
TraCe ist ein Zusammenschluss des Leibniz-Institut fürFriedens- und Konfliktforschung (PRIF) und der Universitäten Frankfurt, Gießen, Marburg und Darmstadt. Es bündelt die hessische Friedens- und Konfliktforschung und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Von April 2022 bis März 2026 werden mehr als 30 Wissenschaftler:innen des Netzwerks mithilfe verschiedener disziplinärer und methodologischer Ansätze die Effekte globaler Entwicklungen auf politische Gewalt erforschen. Die Ergebnisse dienen der Weiterentwicklung des gesellschaftlichen und politischen Diskurses. www.trace-center.de
Ziel von CROSSING ist es, kryptografiebasierte Sicherheitslösungen zu entwickeln, um das Vertrauen in neue Computerumgebungen der nächsten Generation zu stärken. Die entwickelten Lösungen sollen den Effizienz- und Sicherheitsanforderungen der neuen Umgebungen entsprechen und diese solide implementieren. Dabei soll eine einfache Benutzbarkeit für verschiedene Gruppen – darunter Entwickler:innen, Administrator:innen und Endbenutzer:innen – geschaffen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten CROSSING-Forscher:innen aus komplementären Bereichen wie Kryptographie, Quantenphysik, System- und Softwaretechnik zusammen. https://www.crossing.tu-darmstadt.de
Der Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit (FONAS) ist entstanden aus einer Zusammenarbeit interdisziplinärer Forschungsgruppen, und hat das Ziel, die wissenschaftliche Arbeit an Fragen der Abrüstung, der internationalen Sicherheit und des internationalen Friedens mit mathematischen, natur- oder technikwissenschaftlichen Methoden – unter Berücksichtigung fachübergreifender Bezüge – zu fördern, und zwar in der Forschung, der Lehre und der öffentlichen Vermittlung von Erkenntnissen. http://www.fonas.org