Prof. Dr. Egbert Kankeleit, von 1967 bis zu seiner Emeritierung 1997 Professor für Kernphysik an der Technischen Universität Darmstadt, und 1988 Mitbegründer der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit (IANUS), dem Vorläufer von PEASEC, ist am 23. Dezember 2022 in Darmstadt verstorben.

Prof. Dr. Egbert Kankeleit (1929-2022)

Egbert Kankeleit wurde am 16. April 1929 in Hamburg geboren. Er studierte in München Physik, wo er im Jahre 1961 in der Gruppe von Heinz Maier-Leibnitz promovierte. Danach ging er an das CalTech nach Pasadena (USA), von wo aus er 1966 einem Ruf an die TU Darmstadt (damals TH) folgte. Ihr blieb er bis zu seiner Emeritierung 1997 treu.

In seiner wissenschaftlichen Arbeit war Kankeleit einer der Pioniere und der Begründer der Konversionselektronen-Mößbauerspektroskopie, die er zur Bestimmung von Kernmomenten und zunehmend auch in der Materialwissenschaft einsetzte. Weitere Forschungsgebiete waren u. a. Studien über myonische Atome am CERN, Paritätsverletzung beim Gammazerfall und Positronenforschung bei der GSI, bei deren Aufbau er maßgeblich mitwirkte. Die von ihm immer wieder forcierte Methodenoptimierung führte schließlich zu einem „miniaturisierten Mößbauer-Spektrometer“ (MIMOS), das auf dem Mars landete und Daten zur chemischen Beschaffenheit der Marsoberfläche lieferte.

In den 1980er Jahren wies Kankeleit nach, dass Reaktor-Plutonium in Atomwaffen verwendet werden könnte. Damit sah er sich zunehmend auch als Akteur der Citizen Scientists, die ihre persönliche und gesellschaftliche Verantwortung nach der Erfahrung mit der Atomwaffenforschung und Hiroshima durch wissenschaftsbasierte öffentliche Aufklärung wahrnehmen wollten. Er engagierte sich in der internationalen Pugwash-Bewegung (Friedens-Nobelpreis 1995) und im Vorstand sowie in Arbeitsgruppen der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW), ebenso an der Darmstädter Friedensinitiative, in der Studierende und Lehrende der TU Darmstadt eng zusammenarbeiteten.

Ende der 1980er Jahre wagte er einen an deutschen Universitäten außergewöhnlichen Schritt: Stipendiaten der VW-Stiftung, die nach ihren Physikpromotionen zu Fragen der Rüstungskontrolle arbeiteten, gab er durch Aufnahme an sein Institut eine universitäre Heimstätte. Aus dieser Keimzelle und unter Mitwirkung von Lehrenden anderer Disziplinen entwickelte sich die „Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit“ (IANUS), die zu einer Wissenschaftlichen Einrichtung der TUD wurde. Gegen erheblichen Widerstand setzte sich Kankeleit in den Folgejahren für interdisziplinär angelegte Promotionen mit physikalischem Kern ein. Hier ging es vor allem um Fragen der Ambivalenz nuklearer Technologien und Materialien. Viele seiner Absolventen arbeiten heute national und international in angesehenen Positionen, an Hochschulen, außeruniversitären Forschungsrichtungen sowie im Bereich der Politikberatung. IANUS erhielt im Jahr 2000 den Göttinger Friedenspreis und wurde so ein letzter Höhepunkt in Kankeleits akademischer Karriere.

Egbert Kankeleit starb am 23. Dezember 2022 im Kreis seiner Familie. Sein Wirken wird uns weiter anspornen, um so mancher Fehlentwicklung, die heute unter dem Emblem wertfreier Forschung getrieben wird, kompetent und mutig entgegenzutreten.

Für IANUS: F. Friess, F. Fujara, M. Englert, A. Glaser, R. Hagen, D. Ipsen, M. Kalinowski, M. Kütt, W. Liebert, K. Nixdorff, A. Nordmann, C. Pistner, C. Reuter, J. Scheffran, B. Schulda

mit Zuarbeit für die ehemaligen Kernphysiker von H. Backe

Nachruf auf IANUS-Begründer Prof. Dr. Egbert Kankeleit (1929-2022)