Nach der Verordnung zur Bestimmung kritischer Infrastrukturen gilt ein Landwirt als Betreiber kritischer Infrastruktur im Sektor Ernährung, sofern der Schwellenwert der Produktion von 434.500 t Speisen oder 350 Mio. Liter Getränke pro Jahr überschritten wird.
Ein Angriff auf die in der Landwirtschaft weit verbreiteten IT-Systeme könnte viele Betriebe treffen und würde somit zu einer deutlich höheren Zahl von betroffenen Personen führen, als die vom BSI formulierten Schwellenwerte. Gleichzeitig gilt: Im Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz (ESVG) ist die Deckung des lebensnotwendigen Nahrungsmittelbedarfs im Falle einer Versorgungskrise durch den Staat sicherzustellen.
Der Fokus der Landwirtschaft liegt insbesondere auf der präzisen und nachhaltigen Bewirtschaftung des Bodens. Dies soll künftig das Smart Farming durch Erhebung und Analyse von Prozess- und Sensordaten ermöglichen. Die derzeit auf dem Markt verfügbaren Dienstleistungen und Produkte sind dabei durch die Funktionsweise des Cloud-Computing geprägt. Das bedeutet, dass Daten nicht mehr vor Ort gespeichert werden, sondern auf Servern in Rechenzentren ausgelagert werden.
Bei den betrieblichen Daten handelt es sich um freiwillig bereitgestellte Betriebsgeheimnisse. Das heißt, dass das Anwenden von Sanktionen schwierig ist, wenn ein Cloud-Anbieter diese Daten für einen nicht legitimen Zweck verwendet. Zusätzlich ist es schwer nachzuvollziehen, wie die Daten von einem Cloud-Anbieter innerhalb seiner eigenen Rechnersysteme verwendet werden.
Ein weiteres Problem stellt die Ausfallsicherheit der Vernetzung dar. Da der Service vieler Anbieter zumeist wie eine zentrale Drehscheibe funktioniert, über die alle Aktionen innerhalb des landwirtschaftlichen Betriebes koordiniert werden, muss bei deren Ausfall im schlimmsten Falle die gesamte Geschäftstätigkeit stillgelegt werden. Nutzen also ausreichend viele große Betriebe den gleichen Anbieter, so kann es im Extremfall zu Produktionsausfällen beziehungsweise Versorgungsengpässen kommen. Auch absichtlich verursachte Ausfälle durch Cyberangriffe sind nicht auszuschließen (zum Beispiel Denial-of-Service-Angriffe).
Eine mögliche Gegenmaßnahme, um die Gefahren des Cloud-Computing zu adressieren wäre hier, zumindest ein teilweise eigenes dezentrales Netzwerk zu errichten (zum Beispiel „Digitale HofBox“). Bei einem solchen „Offline-First“-System geht es darum, dass Programme grundsätzlich ohne Internetanbindung nutzbar sind. Sie können zusätzlich auch noch alle gewohnten Online-Fähigkeiten bieten, um so beispielsweise eine optionale Steuerung über das Smartphone zu ermöglichen. Um eine möglichst resiliente Infrastruktur zu gewährleisten, ist ein internes Rechner-zu-Rechner System einer zentralisierten Cloud-Lösung in jedem Fall vorzuziehen.
Die Vernetzung und Digitalisierung in der Ernährungswirtschaft nimmt exponentiell zu und wird große Veränderungen bringen. Der kritischen Infrastruktur Landwirtschaft und der notwendigen kritischen Auseinandersetzung mit dem Sicherheitsaspekt der Technologie muss ausreichend Aufmerksamkeit eingeräumt werden. Es wäre daher von hoher Relevanz, die Infrastruktur für ein resilientes Smart Farming (RSF) zu erstellen.
Ziel ist es, die Fortschritte der Digitalisierung in der Landwirtschaft zu nutzen, ohne die Ausfallsicherheit der landwirtschaftlichen Primärproduktion und damit die Lebensmittelversorgung der Verbraucher zu gefährden.
Informationen zu unseren Ansätzen finden Sie unter www.geobox-infrastruktur.de sowie www.peasec.de
Quelle: Christian Reuter, Wolfgang Schneider, Daniel Eberz (2019) Resilient Smart Farming (RSF) – Nutzung digitaler Technologien in krisensicherer Infrastruktur, 39. GIL-Jahrestagung: Informatik in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft Fokus; Digitalisierung für landwirtschaftliche Betriebe in kleinstrukturierten Regionen – ein Widerspruch in sich?, Lecture Notes in Informatics (LNI), A. Meyer-Aurich (Hrsg.), S. 177-182, Vienna, Austria: Gesellschaft für Informatik, pdf
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