Am Donnerstag, den 20.06.2024, luden PEASEC und die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Vertreter der Exekutive, Legislative sowie des privaten und zivilen Sektors zum Gesprächskreis Cybersicherheit und Digitalpolitik nach Berlin ein. Im Fokus der kooperativen Auflage des Events waren mehrere Aspekte der Empfehlung der Europäischen Kommission zu sicheren und resilienten Unterseekabelinfrastrukturen :

Erstens wurde der für ein verbessertes Lagebild der Mitgliedsstaaten notwendige Informationsaustausch diskutiert. Hier zeigte sich ein Spannungsfeld zwischen kommerziell bevorzugten Geschäftsgeheimniswahrung der Infrastrukturbetreiber und -eigner und der umfänglichen Forderung der EU nach Überlassung vieler sensibler Informationen zu Erhöhung der Sicherheit durch eine Kartierung der vorhandenen Infrastrukturen. Industrielle Akteure nehmen aktuell eine Einseitigkeit des Informationsflusses wahr, welcher durch eine klarere Begründung der Sinnhaftigkeit der Datennutzung durch Behörden oder der Bereitstellung anderer Daten – im Sinne eines tatsächlichen Austausches – begegnet werden sollte.

Zweitens wurde auf die in der Seekabel-Empfehlung skizzierten Stresstests eingegangen. Diese Belastungstests der Betreiberfirmen sind umfassend entworfen, indem sie technische & nichttechnische Sicherheit, physische & Cybersicherheit der Seekabelinfrastrukturen und ihrer Lieferketten, bestehende & geplante Infrastrukturen einbeziehen sollen. Damit will die EU eine Bewertung der Widerstandsfähigkeit des Seekabelnetzes unter verschiedenen Szenarien und über einen längeren Zeitraum hinweg ermöglichen. Während Stresstests durchaus einen Beitrag für künftige koordinierte Risikobewertungen auf Unionsebene leisten können, ist die tatsächliche Methodik noch vage gehalten. Somit hat die deutsche Politik Gestaltungspotenzial, vor allem weil die EU explizit Inputs von seinen Mitgliedsstaaten fordert. Mögliche Ansätze stellen die technische Modellierung der Systeme und Datenströme, eine Szenarioanalyse, sowie die Prüfung der Einhaltung von Standards und Prozessen dar. Aufgrund der mehrfach identifizierten Parallelen zu Ansätzen der Cybersicherheit lohnt sich u.U. eine Betrachtung der Nutzbarkeit dort etablierter Verfahren für diese Tests.

Der Ausbau staatlicher Wartungs- und Reparaturkapazitäten für Seekabel ist ein Mittel zur Erhöhung der reaktiven Kapazität. Insbesondere bei Ausfallszenarien, die den traditionellen Reparatursektor überfordern, wie mehrere gleichzeitige Ausfälle oder Bedrohung ziviler Schiffe in Kriegs- oder Krisengebieten. Als zentraler Punkte wurde dennoch die Notwendigkeit zur Rücksichtnahme auf bestehende Strukturen (quasi-genossenschaftlichen Clubs mit Festpreisen und privaten Reparaturanbieter mit systemabhängigen Kostenmodellen) betont, zumal Gewinnmargen für Reparaturen geringer als bei der Installation neuer Kabel sind. In Überlegungen zum Aufbau dieser Strukturen sollten zudem die vielen technischen Voraussetzungen wie spezialisierte Schiffe, Plattformen, qualifiziertes Fachpersonal, Ersatzkabel und sichere Lagerstätten mitbedacht werden. Weitere nicht-technische Rahmenbedingungen sind die notwendigen Lizenzen, ein Arbeiten in Kontexten maritimer Sicherheit und das besondere maritime Versicherungswesen.

Kabelprojekte von europäischem Interesse sind ein außenpolitischer Hebel, mit dem die EU Investitionen in strategisch wichtige Projekte befördern möchte. Damit setzt sie bestehende Förderlinien im Bereich von IKT-Infrastruktur fort und will durch einen Katalog von Voraussetzungen die strategische Ausrichtung dieser Gelder besser für den spezifische Fall der Seekabel koordinieren. Durch ihre hohen Kosten, die Wichtigkeit von Konnektivität für sich entwickelnde Staaten und ihr langfristiges Funktionieren stellen sich Seekabel grundsätzlich als geeigneter Investitionsbereich dar. Allerdings sollte vermieden werden, den internationalen Kommunikationsmarkt zu stark zu beeinflussen. Insbesondere bei Seekabelprojekten, die experimentellen Charakter oder Mehrfachrollen hätten, wie bspw. durch eine polare Routenführung oder die Integration mit neuen Sensorsystemen, kann die Sinnhaftigkeit öffentlicher (Co-)Finanzierung allerdings angenommen werden.

Jonas Franken (PEASEC) und Dr. Daniel Voelsen (SWP) stellten diese vier Themenbereich vor und regten zur Diskussion dieser dringlichen Aspekte auf deutscher Ebene an. Referatsleiterin Dr. Anne Beimann erläuterte zudem die Position des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr im Hinblick auf diese Felder. Moderiert wurde die Verantaltung von Alexandra Paulus.

Jonas Franken ist Ansprechpartner bei PEASEC zum Thema Seekabel. Weiterführende Lektüre:

  • Jonas Franken, Franziska Schneider, Christian Reuter (2023)
    The Internet’s Plumbing Consists of Garden Hoses: A Critical Analysis of the Advantages and Pitfalls of Metaphors Use for Critical Maritime Infrastructures, Dreizack 23 Kiel.  [Download PDF]
  • Jonas Franken, Thomas Reinhold, Lilian Reichert, Christian Reuter (2022)
    The Digital Divide in State Vulnerability to Submarine Communications Cable Failure
    International Journal of Critical Infrastructure Protection (IJCIP) ;38(100522):1–15. doi:10.1016/j.ijcip.2022.100522 [Download PDF]
  • Christian Bueger, Tobias Liebetrau, Jonas Franken (2022)
    Security threats to undersea communications cables and infrastructure – consequences for the EU
    Brussels: European Parliament.
Gesprächskreis zu Seekabel-Empfehlung der EU von PEASEC und der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)