IANUS steht für die naturwissenschaftlich-technische Friedens- und Konfliktforschung an der Technischen Universität Darmstadt, die oft interdisziplinär und unter Einbeziehung der Sozial- und Geisteswissenschaften erfolgt. Mit dem IANUS-Preis (1500 Euro) werden herausragende Qualifikationsarbeiten aus allen Fachrichtungen der TU Darmstadt ausgezeichnet. Die Einreichungsfrist endete am 31. Juli 2022. Eingereicht werden konnten Qualifikationsarbeiten (insbesondere Studien-, Projekt-, Bachelor- und Masterarbeiten, Publikationen oder Dissertationen), die zwischen August 2020 und Juli 2022 abgeschlossen wurden und sich mit für IANUS relevanten Themen und Fragestellungen beschäftigen.
Zahlreiche sehr gute Einreichungen aus verschiedenen Fachbereichen und -gebieten der TU Darmstadt (Geschichte, Politikwissenschaft, Informatik, Maschinenbau) kamen in die Endauswahl für den IANUS-Preis 2022. Bei sämtlichen eingereichten Arbeiten wurde die Qualität der Arbeit sowie der Bezug zur IANUS-Ausschreibung von allen drei Mitgliedern der Auswahlkommission, Prof. Dr. Alfred Nordmann (Philosophie der Technowissenschaften), Prof. Dr. Markus Lederer (Internationale Politik) und Prof. Dr. Dr. Christian Reuter (Wissenschaft und Technik für Frieden und Sicherheit), bewertet. Im Falle einer Befangenheit wirkte das jeweilige Mitglied nicht mit. Nach einer ersten Auswahl prinzipiell preiswürdiger Arbeiten wurde nach eingehender Betrachtung eine Bewertung und Einstufung durch i.d.R. zwei Kommissionsmitglieder vorgenommen.
Die Jury kam zu dem Entschluss dieses Jahr die drei Arbeiten (ohne Reihung) von Helene Pleil, Lilian Reichert und Niklas Simon mit dem IANUS-Preis 2022 (jeweils 500€) auszuzeichnen.
Helene Pleil erhält einen IANUS-Preis 2022 für ihre wissenschaftliche Abschlussarbeit im Masterstudiengang Internationale Studien / Friedens- und Konfliktforschung. In ihrer Arbeit „Arms Control for Cyberspace: An Analysis of Challenges and Possible Benefits of Mechanisms Established to Control the Chemical Weapons’ Domain” untersuchte sie, welche Herausforderungen im Cyberspace für Rüstungskontrolle bestehen. Auf dieser Grundlage wurde mit Hilfe des in 14 Interviews gesammelten Expert:innenwissens analysiert, inwieweit eine mögliche zukünftige Cyber-Rüstungskontrolle von den Mechanismen und Lehren des Chemiewaffenübereinkommens (CWÜ) inspiriert werden könnte. Die Analyse zeigt, dass die Rüstungskontrolle im Cyberspace von einem weit gefassten Definitionsansatz, wie es beim CWÜ der Fall war, profitieren könnte, so sollte auch hier der Schwerpunkt auf der Regulierung des Verhaltens und nicht der Technologie liegen. Darüber hinaus können Lehren aus „weichen“ Mechanismen des CWÜ gezogen werden, insbesondere, dass es möglich ist, neue, bereichsspezifische Mechanismen mit der Beteiligung vieler relevanter Akteure zu entwickeln. Der vielversprechendste diskutierte Ansatz, ist die Implementierung eines Attribuierungsmechanismus zur besseren Identifizierung von Angreifenden. Die Arbeit leistet einen Beitrag zum Diskurs über Rüstungskontrolle im Cyberspace, welcher von zunehmendem Bedrohungspotenzial geprägt ist. Betreut wurde sie von Dipl.-Inf. Thomas Reinhold und Prof. Dr. Dr. Christian Reuter vom Fachgebiet Wissenschaft und Technik für Frieden und Sicherheit sowie von Dr. Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.
Lilian Reichert erhält einen IANUS-Preis 2022 für ihre wissenschaftliche Abschlussarbeit im Masterstudiengang Internationale Studien / Friedens- und Konfliktforschung. In ihrer Arbeit „The Role of Meaningful Human Control in Autonomous Military Systems: An Empirical Analysis of Meaningful Human Control- Narratives in the Public Relations of the Arms-producing Industry“ untersucht sie, wie unterschiedliche ethische Narrative der ausreichend bedeutsamen menschlichen Waffenführung in der Entwicklung autonomer Systeme in militärischen Anwendungsfeldern durch Rüstungsunternehmen aufgegriffen werden. Mittels einer umfassenden Dokumentenanalyse von Websiteausschnitten sowie 12 qualitativen Interviews mit Expert:innen aus Wissenschaft, Politik und internationalen Organisationen wird gezeigt, dass autonome militärische Systeme primär mit Faktoren wie Effizienz und Geschwindigkeit beworben werden. Hier entsteht eine Kluft zwischen politischer Regulierung und technischer Entwicklung. Basierend auf den Ergebnissen formuliert die Arbeit politische Handlungsempfehlungen. Die Arbeit wurde von Dr. Thea Riebe und Prof. Dr. Dr. Christian Reuter vom Fachgebiet Wissenschaft und Technik für Frieden und Sicherheit (PEASEC) im Fachbereich Informatik und Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaft betreut.
Niklas Simon erhält einen IANUS-Preis 2022 für seine Dissertation im Fachgebiet Germanistik mit dem Titel „Text:Welt:Rhetorik: Zur Wissenskonstitution in der Neonicotinoid-Debatte”. Darin untersucht er die rhetorischen Strategien, mit denen Agrarindustrie und Umweltschutzorganisationen im Streit um Pestizide aus der Klasse der Neonicotinoide wissenschaftliches Wissen um die Schädlichkeit der Stoffe zu verfestigen und mit (v.a. politischen) Handlungsoptionen in Verbindungen zu bringen. Anhand der linguistischen Analyse von Informationsbroschüren, die die Akteur:innen auf ihren Homepages zur Verfügung stellen, zeigt er auf, dass das Wissen und Handlungsapelle in spezifische Wirklichkeitsentwürfe eingebettet sind. Diese beinhalten nicht nur argumentative Gemeinplätze über verantwortungsvolles Handeln und differierende Vorstellungen von Landwirtschaftssystemen, sondern sich auch bspw. durch emotionsbezogene Perspektivierungen der Giftstoffe als selbstständig Handelnder u.ä. unterscheiden. Insbesondere spielt auch die Art und Weise eine Rolle, wie die Akteur:innen die jeweiligen Leser:innen ansprechen: Während die Agrarindustrie vorgibt, eine interessiert-skeptische Leserin über eine kontrovers geführte Debatte aufzuklären, verfahren die Umweltschutzorganisationen vor allem affirmativ und bestätigen bei einer Leserin offenbar bereits bestehende Befürchtungen. Die Ergebnisse legen nahe, dass eine interessierte Laiin, die an der gesellschaftlichen Debatte partizipieren möchte, auch über eine rhetorisch-hermeneutische Textkompetenz verfügen muss, die es ihr ermöglicht im Umgang mit Texten rhetorische Strategien zu reflektieren und sich somit in ihrer individuellen Meinungsbildung zu emanzipieren. Betreut wurde die Arbeit von Prof. Dr. Nina Janich (Germanistik – Angewandte Linguistik, Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften).
Die Preisverleihung fand am Mi. 7. Dezember 2022 um 13:00 Uhr im Cybersicherheits-Gebäude (Pankratiusstr. 2, Darmstadt, S2/20, Raum 9/10 im EG). Eingeladen waren alle Mitglieder der TU Darmstadt sowie Angehörige der Preisträger*innen.
- 13:00-13:05 Begrüßung
- 13:05-13:50 Vorstellung der Preisträger*innen 2022
- Niklas Simon (moderiert von Christian Reuter)
- Helene Pleil (moderiert von Alfred Nordmann)
- Lilian Reichert (moderiert von Markus Lederer)
- Gemeinsames Foto
- 13:50-14:30 Empfang und informeller Austausch zu IANUS-Themen
Auch 2023 soll es einen IANUS-Preis geben (Einsendeschluss ist der 31. Juli 2023 für Arbeiten, die seit August 2021 abgeschlossen wurden). Weitere Informationen werden unter www.ianus.tu-darmstadt.de sowie www.peasec.de veröffentlicht.