98 Prozent des internationalen Internetverkehrs werden über das Backbone-Netz der unterseeischen Kommunikationskabel abgewickelt. Küsten- und Inselstaaten sind in hohem Maße von dieser physischen Infrastruktur abhängig, um Internetanschlüsse zu gewährleisten. Obwohl im Jahresdurchschnitt etwa 100 Seekabelausfälle menschlichen oder natürlichen Ursprungs auftreten, gibt es derzeit keine globale Analyse, die die Anfälligkeit einzelner Staaten für Ausfälle im globalen Vergleich bewertet.

In der PEASEC-Studie „The Digital Divide in State Vulnerability to Submarine Communications Cable Failure“ von Jonas Franken, Thomas Reinhold und Prof. Christian Reuter, die im International Journal of Critical Infrastructure Protection erschienen ist, wird dies thematisiert.

In unserem Artikel wird das globale Seekabelnetz auf der Grundlage öffentlich zugänglicher Daten modelliert. Neben der Analyse der globalen Netzeigenschaften liegt der Schwerpunkt auf den verbleibenden Bandbreitenkapazitäten in drei verschiedenen Szenarien von Datenkabel-Ausfällen„, so Jonas Franken. Als Ergebnis dieser Studie werden 15 hochgradig gefährdete Staaten und Überseegebiete sowie weitere 28 Gebiete identifiziert, die als teilweise gefährdet eingestuft werden. Da primär wirtschaftliche Entscheidungen die Struktur des Backbones prägen, kann eine ungleiche Verteilung von Redundanzen und die daraus resultierende Verwundbarkeit benachteiligter Volkswirtschaften bestätigt werden.

Die Ergebnisse der Studie können daher dazu beitragen, die Notwendigkeit präventiver Schutzmaßnahmen für kritische Telekommunikationsinfrastrukturen in Staaten und Territorien mit hoher und mittlerer Verwundbarkeit besser einschätzen zu können„, so Thomas Reinhold. Vor dem aktuellen Hintergrund russischer Bestrebungen, sich mit dem sog. RuNet von der globalen Internet-Infrastruktur abzukoppeln und stattdessen auf eigene Infrastrukturen zu setzen, unterstreicht die Studie die Bedeutung eines redundant angelegten Versorgungsbackbones, auch über die untersuchten Unterseekabel hinaus. „Sollte Russland diesen Weg weitergehen“, so Thomas Reinhold, „dann werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auf weniger Knoten zum restlichen Internet-Backbone setzen, um Kosten zu reduzieren und ihre Kontroll-Infrastruktur besser betreiben zu können, während gleichzeitig die Anreize für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich gering oder durch internationale Sanktionen unterbunden sind.“ (siehe auch Interview in ZEIT ONLINE) Russland würde damit selbstgewählt in eine Situation höhrerer Fehleranfälligkeit eintreten, die – wie die Studie zeigen konnte – rasch zu komplexen Versorgungsausfällen führen kann, mit den entsprechend weitreichenden Folgen für Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Highlights:

  • Das Untersee-Glasfaserkabelnetz in seiner Gesamtheit wird wissenschaftlich kaum beachtet
  • Öffentliche Kabeldaten und Netzanalysetools ermöglichen die Modellierung des Internet-Backbones und desseb statistische Auswertung
  • Untersee-Kommunikationskabelverbindungen sind auf globaler Ebene ungleichmäßig verteilt
  • Entwicklungsländer haben im Durchschnitt ein geringeres Maß an Backbone-Redundanz
  • Das Risiko eines Internetausfalls aufgrund eines Unterseekabelausfalls ist in den am wenigsten entwickelten Gebieten signifikant erhöht.

Originalartikel:

Jonas Franken, Thomas Reinhold, Lilian Reichert, Christian Reuter (2022)
The Digital Divide in State Vulnerability to Submarine Communications Cable Failure
International Journal of Critical Infrastructure Protection (IJCIP) .
Zum Thema:

Die digitale Kluft: PEASEC-Studie zur Anfälligkeit von Staaten für Ausfälle von Unterseekabeln erschienen: Kann es in Russland zu Versorgungsaufällen kommen?