Die Landwirtschaft unterliegt hohen Anforderungen an die Widerstandsfähigkeit, da sie ein wesentlicher Bestandteil der Lebensmittelproduktionskette ist. In der Landwirtschaft werden zunehmend digitale Werkzeuge eingesetzt, die auf Kommunikations- und Energieinfrastrukturen angewiesen sind. Sollte es zu einer Störung kommen, erhöhen solche verstärkten Abhängigkeiten von anderen Infrastrukturen die Wahrscheinlichkeit von Welleneffekten. Daher besteht die Notwendigkeit, die Widerstandsfähigkeit des Agrarsektors zu analysieren, mit Schwerpunkt auf die Auswirkungen der Digitalisierung.

Ein am Lehrstuhl Wissenschaft und Technik für Frieden und Sicherheit (PEASEC) der TU Darmstadt insb. im Rahmen der durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Projekte GeoBox-II und AgriRegio erarbeitetes Forschungspapier, welches Ende März 2022 im International Journal of Disaster Risk Science erschienenen ist, adressiert diesen Aspekt:

In der Studie werden die Resilienzkapazitäten unter Berücksichtigung der in landwirtschaftlichen Systemen eingesetzten vernetzten Technologien auf der Grundlage der Erfahrungen und Einschätzungen von Landwirten ermittelt. Die drei Resilienzkapazitäten definieren sich dabei wie folgt:

  • Robustheit ist die Fähigkeit, Belastungen und (un)erwarteten Schocks zu widerstehen
  • Anpassungsfähigkeit ist die Fähigkeit eines Systems sich an unerwünschte Situationen anzupassen, ohne die internen Strukturen zu verändern
  • Transformationsfähigkeit ist die Fähigkeit, interne Strukturen erheblich zu verändern, um zu normalen oder verbesserten Abläufen zurückzukehren

Die Informationen wurden durch Fokusgruppeninterviews mit Landwirten (N = 52) und eine Umfrage mit Teilnehmern aus dem Agrarsektor (N = 118) gesammelt. Der Schwerpunkt lag insbesondere auf den digitalen Werkzeugen und anderen Informations- und Kommunikationstechnologien, die sie nutzen.

Auf der Grundlage der Definition von Resilienzkapazitäten wurde die Resilienz hinsichtlich des Energie- und Kommunikationsbedarfs in verschiedenen Arten von landwirtschaftlichen Systemen bewertet: „Besonders wichtig ist die Resilienz der digitalen Kommunikation sowie die schlecht ausgebaute und nicht resiliente Netzinfrastruktur im ländlichen Raum, die im Widerspruch zum Anspruch einer resilienten Landwirtschaft steht„, so Franz Kunkte, Erstautor der Studie, „Das Ergebnis ist eine geringe Robustheit, wie unsere Analyse mit dem Risiko von Verlusten bei der Nahrungsmittelproduktion zeigt.“

Die wichtigsten Erkenntnisse über potenzielle Risiken im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Hilfsmittel:

  • Die integrierten Werkzeuge der landwirtschaftlichen Betriebe sind häufig vom Internet abhängig.
  • Ein Stromausfall von ein paar Stunden bis zu ein paar Tagen wäre für die Betriebe, die über einen Stromgenerator verfügen, nicht sehr schädlich. Längere Ausfälle können realistischerweise zu kompletten Ernteausfällen und tödlichen Folgen für Tiere führen.

Die wichtigsten Ergebnisse in Bezug auf die Resilienzkapazitäten:

  • Die meisten Landwirte sind sich nicht bewusst, wie sich das Internet und die Mobilfunkinfrastruktur auf ihr landwirtschaftliches System auswirken und treffen keine Vorkehrungen für entsprechende Ausfälle.
  • Nur etwas mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe besitzt ein Notstromaggregat.
  • Betriebe, die in der Viehwirtschaft tätig sind, treffen häufiger als andere Landwirte Vorkehrungen gegenüber Ausfälle, sowohl wegen der höheren Abhängigkeit von kontinuierlich arbeitenden Maschinen als auch aufgrund gesetzlicher Vorgaben.

Bei der Betrachtung der Digitalisierung des Agrarsektors ist es wichtig zu bedenken, dass alle Vorteile der Digitalisierung mit einer hohen Betriebssicherheit vereinbar sein müssen. Derzeit gibt es weder eine Veröffentlichung, die die Betriebssicherheit der derzeitigen Instrumente untersucht, noch gibt es Beschreibungen von technischen Ansätzen für eine belastbare Kommunikation, die es ermöglichen würden, die Robustheit der landwirtschaftlichen Betriebe zu stärken.

Das Paper kann hier open access abgerufen werden

Franz Kuntke, Sebastian Linsner, Enno Steinbrink, Jonas Franken, Christian Reuter (2022)
Resilience in Agriculture: Communication and Energy Infrastructure Dependencies of German Farmers
International Journal of Disaster Risk Science (IJDRS) . doi:10.1007/s13753-022-00404-7
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Resilienz in der Landwirtschaft: PEASEC-Studie zu Abhängigkeiten deutscher Landwirte von Kommunikations- und Energieinfrastruktur im Journal of Disaster Risk Science erschienen